Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 598/599-S. 14-16

06.10.2018 - Gautag 40 Jahre Universität Passau

Wie bereits zum Gautag vor zwei Jahren traf sich die Rhaetenfamilie bei herrlichem Spätsommerwetter wieder im Hof des ehrwürdigen St. Nikolaklosters in Passau. Unser Gauobmann Prof. Dr. Konrad Glas begrüßte uns herzlich und ganz besonders den Philistersenior Dr. Berndt Jäger mit Gattin sowie Bundesbruder Oberstudiendirektor a.D. Helmut Hilz, der - gerade aus Griechenland gekommen - mit Freude am Treffen teilnahm. Auf Wunsch von Konrad Glas sollte ich heute auf einem (er)baulichen Spaziergang die Universität Passau, etwas ausführlicher als es vor zwei Jahren möglich war, darstellen:

STUDENTEN - GMOA

Zunächst aber betraten wir die Universitätskirche St. Nikola: Der nunmehr fertig restaurierte barocke Kirchenraum beeindruckt besonders durch die Wirkung des 1965 von unserem Bundesbruder Erich Horndasch geschaffenen Monumentalbildes „Der kosmische Christus und die vier Evangelisten“ im Kontext mit den von Wolfgang Andreas Heindl 1716 gemalten 90 Deckenfresken mit einigen Szenen aus dem sagenhaften Leben des heiligen Nikolaus und dem Fresko „Maria Himmelfahrt“ am Kuppelgewölbe der Vierung. Da der Kirchenraum vornehmlich den Gottesdiensten der Studentengemeinde und künstlerisch - kulturellen Aktionen offenstehen soll, war eine liturgische Neugestaltung erforderlich.

Das Horndaschbild ist wie ein Altarretabel frei in den Chorraum und der Altar, ein mächtiger Nagelfluh-Steinblock, unter der Vierungskuppel gestellt. Der Künstlerseelsorger der Diözese Passau Dr. Benihard Kirchgessner, stellte in einem Grußwort fest: „... Es wäre begrüßungswert, wenn St Nikola künftig auch zu einem Ort festlicher musica sacra und wahrer ars sacra im Herzen der Stadt Passau avancieren und in Rückbesinnung auf den Gründervater Bischof Altmann und die hier wirkenden Chorherren zu einem Impulsgeber für eine allfällige
Neuevangelisierung und damit einhergehende wünschenswerte vita communis des Klerus werden könnte ...“

IDEENFINDUNG

Nach diesem Kunstgenuss begaben wir uns in den Westtrakt des ehemaligen Klosters, wo vor .vierzig Jahren, am 9. Oktober 1978, der damalige Kultusminister Prof. Dr. Hans Maier die Universität Passau feierlich ihrer Bestimmung übergab.
Mit den städtebaulichen Überlegungen zur Errichtung der Universität wurde die Bayerische Staatsbauverwaltung bereits Anfang der 1970er Jahre beauftragt: Aus vier in die engere Wahl aufgenommenen Standorten im Stadtgebiet von Passau wählte das Gutachtergremium die Lage am Altstadtrand und lnnufer aus. Trotz mancher Probleme, wie der schmale und langgestreckte Grundstücksbereich, die querende Bahnlinie, Hochwassergefahr, notwendige Absiedelung von Betrieben, war hier die Integration in die Altstadt in hervorragender Weise möglich.
Mit Berücksichtigung der Größe von Passau mit ca. 50 000 Einwohnern und dem Flächenbedarf der geisteswissenschaftlich auszurichtenden Universität ist eine Ausbauzielzahl von 4000 Studenten zugrunde gelegt worden. Nach Ausarbeitung von Grundsatzuntersuchungen über die Verkehrs -und Energieerschließung, Grünplanung etc. konnte 1976 ein städtebaulicher Ideenwettbewerb und ein Bauwettbewerb ausgelobt werden, zu dem 50 Architekten Bauentwürfe abgaben.
Das Preisgericht prämierte dann Arbeiten, die keine konzentrierte und zusammenhängende Baustruktur aufwiesen, sondern in lockerer Disposition entworfene Einzelbaukörper, die in besonderer Weise auf die Stadt und Flusslandschaft reagieren sollten. An einem inneren Hochschulweg, der durch das ca. 1 km lange Universitätsgelände führt, können die Gebäude gemäß der langfristigen Bauleitplanung, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, individuell gestaltet werden.

KONTRAPUNKT IN ROT

Wir begeben uns nun auf dem Spaziergang durch den Universitätscampus über den verglasten Steg, der die Innstraße überspannt und das Nikolakloster mit den Neubauten am Inn verbindet und befinden uns im „Philosophikum“. Der innere „Hochschulweg“ teilt das 1980 fertiggestellte und von Prof. Werner Fauser geplante Gebäude in zwei Bereiche, die Hörsaalzone im Norden und nach Süden in vier Geschossen die Arbeitsräume. Wir verlassen das Gebäude über eine Freitreppe und spüren die großartige städtebauliche Wirkung der monumentalen, langgestreckten barocken Klosterfassade mit dem Landschaftsraum, der den Inn und das gegenüberliegende Ufer miteinbezieht. Hierzu bildet der signifikant in roter Farbe gefasste hoch aufragende erste Neubau den Kontrapunkt. Vorbildhaft auch für die folgenden Bauten sind typische bauliche Elemente der Passauer Altstadt, wie verputztes Mauerwerk, Lochfassaden und flach geneigte Pultdächer in moderne Architektur umgesetzt.

KUNSTWERKE ZUM ANFASSEN

Auf unserem weiteren Spaziergang durch den Campus werden wir im Freien und in den Gebäuden Kunstwerken begegnen, die von Preisträgern mehrerer Kunstwettbewerbe geschaffen worden sind. Sie sollen Wegzeichen bilden und in einem spannungsvollen Dialog zwischen Architektur und Landschaft stehen. Wir unterqueren jetzt die eindrucksvolle technische Skulptur der Eisenbahnbrücke, die in diagonaler Linie den Inn überspannt. Die scheinbar störende Bahnlinie nach Wien ist in das Gesamtensemble der perspektivischen Verknüpfungen eingebunden.

WO DER SCHLACHTHOF STAND

Wir steigen nun entlang der historischen Hochwasserstützwand aufwärts und kommen zum Gebäude der Wirtschaftswissenschaften und danach auf einen freien Platz, von wo eine Fußgängerbrücke die Verbindung zu den nördlich der Innstraße befindlichen Wohngebieten herstellen soll, wenn die Bauleitplanung der Stadt Passau dies ermöglicht. Im gesamten Campus sehen wir keine PKW-Stellplätze, denn diese befinden sich in den Untergeschossen der Gebäude, wo wegen des Hochwasserbereiches keine Nutzräume sein dürfen.

DAS GEISTIGE UND LEIBLICHE ZENTRUM

An der Stelle, wo das Grundstück mit 100 Metern am engsten ist, befindet sich das Zentrum der Universität: Die Zentralbibliothek und die Mensa. Sie umschließen an drei Seiten einen Arkadenhof, die vierte offene Seite lässt den Blick frei auf die Altstadt von Passau, - überragt vom St. Stephansdom -, und zum Inntal. Die Lese - und Studiersäle im Obergeschoss der Bibliothek sind durch die großen Verglasungen von außen ablesbar. Das Mensagebäude schließt den Hof nach Süden ab und bietet mit dem unmittelbar am Inn gelegenen, in Holzbauweíse errichtete Speisesaal einen Ort der Entspannung. Nach Verlassen des Mensahofes blicken wir in ein Seitentälchen zum Inn, das in die Freiraumplanung einbezogen wurde. Den Abschluss zur Innstraße bildet hier das zentrale Hörsaalgebäude mit dem Audimax und einem für Veranstaluıngen gestalteten Foyer. Der mehrfach gegliederte Baukörper ist wegen der städtebaulichen Lage wieder in Böhmisch - Rot gefasst.

WIRTSHAUS „ZUM GRÜNEN TAL“

Der innere Hochschulweg teilt sich nun: Der südliche Weg überquert mit einer Brücke das Tälchen und führt zum Gebäude Informatik und Rechenzentrum. Hier gliedert sich auch der letzte auf dem Campus entstandene Neubau an: Das Zentrum für Medien und Kommunikation. Der nördliche Weg führt am ehemaligen "Wirtshaus zum Grünen Tal" mit einer originellen Kegelstube vorbei. Das marode Gebäude wurde für den Bereich Kunsterziehung restauriert und um ein Ateliergebäude erweitert. Hier schließt sich nach Westen das im Jahre 2000 gebaute „Juridicum“ an: Mittelpunkt sind der 3-geschoßige Bibliothekslesesaal und die Hörsäle seitlich der zentralen Halle. Die lnstitutsräume und die zentrale Verwaltung umschließen U-förmig den Landschaftsraum zum Inn.
Damit noch genügend Zeit für den geselligen Teil des Gautages bleibt, beenden wir hier unseren Spaziergang auf dem inneren Hochschulweg: Weiter nach Westen vervollständigen das 2005 fertiggestellte IT-Zentrum/International House und das Sportzentrum mit Freisportanlage den Universitätscampus. lm WS 2018/19 sind über 12.000 Studierende eingeschrieben. Die erforderliche Raumkapazität reicht nur noch mit einigen Anmietungen im näheren Stadtbereich. Aber jetzt ist gegenüber dem „Klostergarten“ von der Löwenbrauerei Passau ein Grundstück erworben worden, das in städtebaulich hervorragender Lage Platz bietet für weitere zentrale Einrichtungen. Nun gehen wir unter den mit herrlichem Herbstlaub geschmückten Bäumen am lnnufer zurück Richtung Altstadt. Schon sehen Wir die monumentale Südseite der Altstadt, überragt vom Weißen St. Stephansdom und auf der anderen lnnseite hoch am Berg die Wallfahrtskirche „Maria Hilf“. Wir unterqueren die Eisenbahnbrücke und den „Fünferlsteg“ und erreichen den gastlichen Ort des Restaurants „lnnsteg“. Mit schönem Ausblick auf die innseitige Altstadt genießen wir das rhaetische Gespräch und ein vorzügliches Mittagessen.

WAHL DES GAUOBMANNES

Wie bereits Konrad Glas im „Rhaetenherold 7/10 2018“ mitgeteilt hat, sei die Wahlperiode des Gauobmannes zu Ende und er wäre dankbar, wenn sich ein Nachfolger für ihn finden würde. Er fragte mich, ob ich mich zur Verfügung stellen würde, worauf ich mit ja antwortete.
Philistersenior Dr. Berndt Jäger ergriff nun das Wort: Er dankte Konrad im Namen der Rhaeten herzlich für die Tätigkeit als Gauobmann des Gaues Passau und schlug mich als Nachfolger vor. Die stimmberechtigten Bundesbrüder stimmten alle zu. Ich bedankte mich für das in mich gesetzte Vertrauen.

Bb. Günter Albrecht