Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 495/S. 11
Besuch bei Passaus Fürstbischöfen
Gautag der Passauer Rhaeten am 6. Oktober 2001
„Viele Köche verderben den Brei", sagt man. Zwei gute Köche können aber zusammen ein ausgezeichnetes Gericht zustande bringen; so geschehen beim zweiten Gautag 2001 der Passauer Rhaeten am Samstag, dem 6. Oktober.
Mit Erlaubnis des amtierenden Diözesanadministrators Lorenz Hüttner durften wir die Neue Residenz der Passauer Bischöfe besichtigen und genossen dabei eine Doppelführung, bei der der Kunstsachverständige des Bistums, Alois Brunner, den künstlerisch-historischen Teil übernahm und Bb. Günther Albrecht seine Erfahrungen aus der unter der Ägide seines Amtes durchgeführten Renovierung beisteuerte. Leider hatte sich nur eine relativ kleine Gruppe von Rhaeten, zum Teil mit Angehörigen, eingefunden. Um so erfreulicher war es, dass gleichwohl zwei Obmänner von Nachbargauen anwesend waren, nämlich Bb. Erich Horndasch mit seiner Frau und Bb. Otmar Regler.
Wir trafen uns auf dem Passauer Residenzplatz und hatten als markanten Zeitpunkt 15 Uhr vereinbart, nicht bedenkend, dass dies auch der Augenblick des vorfeiertäglichen Glockenläutens ist. So genossen wir die herrlichen Klänge der neuen großen Glocke „Misericordia", der Beginn der Besichtigung verzögerte sich aber etwas.
Diese galt naturgemäß zunächst der Fassade des Gebäudes, an der uns Brunner den Zusammenhang der Figuren und symbolischen Darstellungen aufzeigte:
Verherrlichung des damals regierenden Fürstbischofs Firmian bzw. seines Wirkens für die handeltreibende Stadt und das bäuerliche Land. Der Führer wies auch auf Elemente der frühklassizistischen Neugestaltung in den 60er Jahren des 18. Jh. hin, die wohl nicht zuletzt einen ästhetischen Anschluss an die vertikale Gliederung des gotischen Dom-Ostchors bewirken sollte.
Mit dem Eintritt in das Gebäude ließ man freilich den Klassizismus hinter sich und betrat das Reich des Rokoko.
Ein erster Blick galt hier dem Treppenhaus: Natürlich kann es sich künstlerisch und in den Dimensionen nicht mit seinen großen Schwestern in Würzburg, Pommersfelden und anderswo messen, es erhielt aber von kompetenter Seite doch das Prädikat des schönsten Rokokotreppenhauses zwischen München und Wien.
Auch in diesem Bereich ist Fürstbischof Firmian wieder präsent, und zwar mit einem großen Wappen, während im Deckengemälde seine Stadt selbst in allegorischer Form - als üppige, mit einer Stadtmauerkrone gekrönte Frauengestalt - erscheint, die den Schutz der himmlischen Mächte - versinnbildlicht durch antike Götter - genießt.
Höhepunkt der Führung war aber zweifellos der Gang durch die Reihe der fürstbischöflichen Repräsentationsräume, Höhepunkt auch deswegen, weil sie nicht ohne weiteres zugänglich sind. Gewiss nehmen sich auch diese Räume im Vergleich mit dem, was die großen Schlösser der Zeit bieten, relativ bescheiden aus, in ihrer Abfolge bilden sie aber doch eine beachtliche Steigerung in Materialaufwand und künstlerischer Ausgestaltung; insbesondere aber bestechen sie durch die reizenden und inhaltlich beziehungsreichen Stuckarbeiten des niederbayerischen Künstlers Johann Baptist Modler und seiner Söhne.
Umfassendere historische Bezüge eröffneten sich durch die Porträts österreichischer Herrscher, in deren Zusammenhang Herr Brunner das Autonomiebewusstseins des alten Passau und seine Hinneigung zu Österreich herausstellte, ebenso wie auf den Hinweis darauf, dass einst Napoleon in diesen Räumen Quartier bezogen hat.
Den Abschluss der Besichtigung bildet ein Gang durch das Domschatz- und Diözesanmuseum, bei dem aus Zeitgründen nur auf einzelne Schwerpunkte hingewiesen werden konnte. So erfuhr man z.B., was es mit zwei unscheinbaren, farblich nichtssagenden Messgewänder auf sich hat: Sie stammten bereits aus dem 11./12. Jh., waren einem Toten abgenommen und gewaschen worden und hatten so ihre Farben verloren. Interessierte Beachtung fand aber vor allem eine prachtvolle, mit ungezählten Edelsteinen geschmückte Monstranz aus der zeit um 1670, die „eines der frühesten Beispiele für ein Hostienbehältnis in der symbolträchtigen Gestalt des Herzens ist" (Führer zum „Domschatz- und Diözesanmuseum Passau"). Weltliche Assoziationen weckte schließlich ein Altarkreuz, das Brunner als sein “Lieblingsstück" bezeichnete, das durch Brezen und Weckerl als solches gekennzeichnete Kreuz der Passauer Bäckerzunft.
Viele Teilnehmer hatten es allerdings nicht so eilig, zu den entsprechenden Genüssen zu kommen, so dass wir uns durch die eintretende Verspätung einen leichten Unwillen der Wirtin einhandelten, bei der wir zur abschließenden Einkehr angesagt waren. Die entstandene Verstimmung verflog aber rasch wieder und die Gemütlichkeit des Beisammenseins nahm keinen Schaden.
Bb. Franz Salzinger