Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 524/525-S. 17
Besuch im „Granitzentrum Bayerischer Wald" in Hauzenberg bei Passau
am 23. September 2006
„(...) die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug", heißt es einmal bei Friedrich Hegel. Er spricht von der Philosophie; aber man darf den Satz vielleicht auch allgemein so verstehen, dass über manche Lebensphänomene erst so richtig nachgedacht wird, wenn ihre vitale Selbstverständlichkeit abzunehmen beginnt. Da kommt dann auch die Stunde des Sammelns und Bewahrens und damit auch die Stunde der Museen aller Art. Als Museum, Granitmuseum nämlich, wird auch die Einrichtung in Hauzenberg bei Passau gern bezeichnet, die die Passauer Rhaeten im Rahmen ihres zweiten diesjährigen Gautags am 23. September 2006 besuchten. Sollte man aus der Bezeichnung „Museum" den angedeuteten Nebensinn heraushören, ginge man nicht fehl: Die Situation von Granitförderung und -Verarbeitung im Bayerischen Wald hat sich in den letzten Jahrzehnten arg verschlechtert. Die Hauptursache liegt auf der Hand: Der heimische Granit kann nicht so billig zur Verfügung gestellt werden, wie dies sogar überseeischen Konkurrenten, vor allem China, möglich ist.
Trotzdem will die Einrichtung nach dem Willen ihrer Initiatoren gerade kein Museum sein, und sie nennt sich entgegen dem weiterhin gängigen Sprachgebrauch auch nicht so, sondern „Granitzentrum". Statt einer bloß rückwärtsgewandten soll diese Bezeichnung eine gegenwartsbezogene Zielsetzung ausdrücken. Ihre Begründer formulieren sie so: „Das Granitzentrum hat keinen musealen Charakter, sondern ist eine moderne Einrichtung, in der auch die Vorzüge und Qualität des heimischen Rohstoffes für öffentliche und private Bauträger fachkundig herausgestellt werden sollen. Wir sehen uns als Marketing- und als Bildungsstätte" („Passauer Neue Presse" vom 04. Juli 2006). Bei der Führung durch das Granitzentrum spielten gleichwohl geschichtliche Aspekte verschiedener Art eine bedeutende Rolle. Geschichte zunächst in erdgeschichtlichen Dimensionen: Um den Besuchern Entstehungszeit und Entstehungsbedingungen des Granits vorzuführen, hat man sich etwas Apartes einfallen lassen: Man schickt die Besucher in kleineren Gruppen in eine liftartige Kammer, die eine Fahrt ins Erdinnere simuliert und in der die durchmessenen Tiefenschichten optisch vorgeführt werden. Rüttelgeräusche lassen tatsächlich den Eindruck entstehen, dass man sich in einem bewegten Aufzug befindet. Die relative Wirksamkeit dieser Illusion bestätigten nicht wenige Bundesbrüder, als sie nach Verlassen der Kabine ihre Verwunderung darüber ausdrückten, dass sie sich immer noch auf derselben Ebene befanden.
Die geologische Information setzte sich fort in Schauräumen, die in Vitrinen eine gewaltige Menge von Mineralproben darbieten. Da man hier beim Betrachten eine Weile sich selbst überlassen war, hörte man manchen Stoßseufzer, der das Fehlen von Fachkenntnissen bedauerte. Das änderte sich aber, als man aus dem geschlossenen Bereich in eine halbkreisförmig davor liegende Halle trat, an deren anderer Seite eine durchgehende Glasfront den Blick auf einen Steinbruchweiher freigibt. Hier kam ein historischer Aspekt anderer Art zum Tragen: Schaubilder und Gerätschaften, unterstützt von den kundigen Hinweisen des Führers, zeigten die Lebenswelt der Steinbrucharbeiter vor allem früherer Zeiten auf. Als Beispiel sei hier nur die früher gängige Frauenarbeit genannt. Frauen mussten mit Hämmern Steine zu Schotter zertrümmern. Sie hatten das Gelände für den Abbau vorzubereiten, d.h. Bäume und Sträucher zu entfernen, damit man überhaupt zum Stein kommen konnte. Auch das Sortieren sowie das Schleifen und Polieren der Steine war ihre Aufgabe.
Dass die in der Folgezeit durch technischen Fortschritt erlangte Arbeitserleichterung auch ihren Preis hat, wurde an einem anderen Beispiel klar: Gewiss stellt der Presslufthammer geringere Ansprüche an die Muskelkraft als das frühere manuelle Verfahren der Steinspaltung, dafür müssen aber ein Vielfaches an Lärm sowie die Feinstaubentwicklung mit ihren schlimmen gesundheitlichen Folgen in Kauf genommen werden.
Der Aufenthalt im dritten Bereich des Granitzentrums, dem Freigelände um den Steinbruchweiher, hatte teils eine ernste, teils auch eine mehr heitere Note. Hier war einerseits Anlass, die Voraussetzung aller Steinverwertung, nämlich die Sprengung und ihre Vorbereitung, zu erläutern, und ein weithin sichtbares Kreuz an der Steinbruchwand erinnerte an die nicht geringe Zahl von Unfällen, oft mit Todesfolge, die sich in den Steinbrüchen ereigneten. Andererseits bot das Vorhandensein einer Art kleiner Werkskantine Gelegenheit, auch Einblick in das gesellige Leben der Steinbrucharbeiter zu geben. Bei aller Rauheit, die auch diesem manchmal eignete, blieben doch Kuriosa nicht aus: So erzählte der Führer von einem Arbeiter, dem man aufgrund seines Hangs zur Messerstecherei verboten hatte, ein Messer bei sich zu tragen. Der Schlaumeier wusste sich zu helfen und zog ein solches bei nächster Gelegenheit an einer Schnur hinter sich her... Mit der Erdgeschichte hatte die Führung durch das Granitzentrum begonnen, in die bayerische Landesgeschichte mündete sie ein: Am 04. Juli 2006 meldete die „Passauer Neue Presse", dass Minister Erwin Huber zusammen mit Politikern der Region die „Säule des Königs" ihrer Bestimmung übergeben habe. Welche Bewandtnis hat es damit? Nun, König Ludwig I. hatte 1845 der Hauzenberger Granitindustrie - durchaus auch als Akt der Entwicklungshilfe - den Auftrag erteilt, 18 monumentale Säulen für die Befreiungshalle in Kelheim zu liefern. Nach damaliger guter Sitte wurde die Leistung zusammen mit dem Auftrag bezahlt; diese Leistung wurde aber schließlich doch nicht in Anspruch genommen: Nach dem Tod des ursprünglichen Architekten Friedrich von Gärtner im Jahre 1847 ging die Planung an Leo von Klenze über. Dieser änderte das Konzept, in dem nun für die Säulen kein Platz mehr war. Der größte Teil blieb in einem Steinbruch bei Hauzenberg liegen, nur zwei wurden später nach München geschafft und zieren in abgeänderter Form den Amalienstraßeneingang der Ludwig-Maximilians-Universität. Die übrigen wurden von einem ortsansässigen Unternehmer zurückgekauft und nach und nach zu Pflastersteinen verarbeitet - bis auf eine. Diese - sie hatte einiges von ihrer ursprünglichen Höhe eingebüßt -stand zunächst vor einer Schule und wurde 2006 neben dem Parkplatz des Granitzentrums, der sich an das Freigelände anschließt, aufgestellt.
Hier schloss sich nun für die Bundesbrüder der Kreis der Besichtigung. Eine kurze Autofahrt brachte sie zum Schauplatz des zweiten Teils des Gautags, dem Landgasthaus Gidibauer-Hof. Die Teilbezeichnungen „Land" und „Hof" sind voll berechtigt, denn es handelt sich um einen kundig restaurierten alten Vierseithof, der von Denkmalschutzseite als „bäuerliches Denkmal von ostbayerischem Rang" bezeichnet wurde.
Wichtiger als Denkmalschutzaspekte waren für die rhaetischen Besucher nun freilich die kulinarischen, aber auch hier war man bestens bedient: Der junge Küchenchef, Alois Ertl, zählt zu den Spitzenköchen der Region.
Und zu den vielen Steinen, die man vorher gesehen hatte, gesellte sich nun noch einer; der nämlich, der dem Gauobmann vom Herzen fiel: So sehr er sich über die große Zahl der Besucher - es waren schließlich 33 - freute, so befürchtete er doch Raumprobleme, wusste er doch um die begrenzte Kapazität einer ehemaligen Bauernstube. Gottlob hatte er sie unterschätzt: Alle fanden Platz, und so war die Freude schließlich ungemindert. Zu dieser Freude trug bei, dass der ehemalige Gauobmann von Donau-Naab, Bb. Otmar Regler, und seine Gattin in alter Treue auch diesmal zu uns gekommen waren, und ebenso die Anwesenheit von Frau Edeltraud König und Frau Agnes Pauer, den Gattinnen unserer unvergessenen verstorbenen Bundesbrüder Dr. Walter König und Dr. Max Pauer. Und eine besondere Freude bedeutete auch die Anwesenheit unseres stellvertretenden Philisterseniors, Bb. Manfred Stegmüller, der im Lauf des geselligen Beisammenseins auch das Wort an uns richtete. Nach einem Lob für den Informationswert dieses Gautags und die sich in ihm bekundende Lebendigkeit des Passauer Gaulebens wies er u. a. angesichts der Anwesenheit vieler älterer Bundesbrüder darauf hin, welche Bedeutung das Verbindungsleben gerade dann habe, wenn mit dem Ausscheiden aus dem Beruf die damit zusammenhängenden mitmenschlichen Kontakte abnehmen.
Die Tatsache, dass bei diesem Gautag aber auch die jüngeren Bundesbrüder, teilweise mit ihren Familien, gut vertreten waren, lässt uns hoffen, dass die Alten auch in Zukunft nicht unter sich bleiben werden.
Bb. Franz Salzinger