Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 489-S. 6

Von Neuburg nach Neukirchen

Treffen des Gaus Passau am 7. Oktober 2000

Im Oberhaus zu Passau ging vor zwei Jahren die Ausstellung "Ritterburg und Fürstenschloss" über die Bühne und wegen des übergroßen Zuspruchs wurde sie sogar um etliche Monate verlängert. Nun liest man auf einem Handzettel zur diesjährigen "Apokalypse"Ausstellung die Ankündigung: "Die Ritter kehren zurück". Der Bedarf in dieser Richtung scheint also den Ausstellern noch lange nicht gedeckt.

Es wäre erstaunlich, wenn ein bisschen von dieser Faszination auch im Spiele gewesen wäre, als immerhin an die 30 Mitglieder der Rhaetenfamilie am 7. Oktober trotz nasskaltem Spätherbstwetters zum Schloss Neuburg am Inn (eigentlich hoch über dem Inn!) kamen. Der Schreiber dieser Zeilen gesteht, dass ihm selber die Aussicht nicht ganz behaglich war, über regennasse Höfe und durch kalte, düstere Gelasse schleichen zu müssen.

Es kam ganz anders. Heimatpfleger Dr. Wilfried Hartleb, der uns in Empfang nahm, um uns die Burg zu zeigen, ließ uns sofort alle atmosphärischen Unbilden vergessen. Es ist ja immer eine schöne Sache, wenn man weiß und an der bewiesenen Kompetenz merkt, dass der Führer mit seiner Materie bestens vertraut ist und schon ungezählte Gruppen betreut hat, wenn es einem aber gleichwohl so vorkommt, als sei diese Führung auch für ihn ein ganz besonderes Ereignis.

Dr. Hartleb ließ uns nicht lange im Regen stehen, sondern verlegte vorbereitende Ausführungen gleich in einen

Saal, wo er es als echter Pädagoge nicht bei bloßen Worten ließ, sondern seine Ausführungen mit einer Fülle von graphischem und bildlichem Anschauungsmaterial unterstützte. Wir erfuhren vom höchst wechselvollen Schicksal der Burg, die nicht immer ihr heutiges, eher verträumtes Dasein führen konnte. Es wurde einem unter anderem bewusst, dass die Neuburg ja nicht immer an einer Grenze lag, sondern Bayern einst über den Inn hinüberreichte, dass andrerseits dieser Raum nicht immer das war, wovon Georg Lohmeier einmal sagte: "A habe Grenz gehst umi, bist im Ausland und dengerscht dahoam" die Neuburg lag ja im Spannungsfeld zwischen Habsburg und Wittelsbach, eine Situation, die im Jahre 1310 sogar zur Zerstörung der Burg führte.

Natürlich soll hier nicht die ganze Geschichte dieses Bauwerks vorgeführt werden, die uns Dr. Hartleb so anschaulich präsentierte. Erwähnt seien nur einige Marksteine: Die Neuburg ist eine Tochtergründung des innaufwärts liegenden Herrensitzes Vornbach, dessen Grafen sie um die Jahrtausendwende errichteten. Die siegreichen Österreicher bauten nach der erwähnten Zerstörung die Burg wieder auf und gaben sie 1528 den Grafen von Salm als Reichslehen. Einer ihrer Vertreter, Graf Niklas 11., hatte bei kriegerischem Einsatz in Oberitalien die dortige Wohnkultur kennengelernt und begann damit, die gotische Neuburg in ein feudales Renaissanceschloss umzuwandeln, wovon die herrlichen sogenannten "Steinsäle" noch heute Zeugnis ablegen. Den Grafen von Salm folgte eine eher zwielichtige, vielleicht aber auch tragische Gestalt, nämlich der kaiserliche Hofkammerpräsident Graf von Sinzendorf, zwielichtig deshalb, weil ihn ein dubioses Finanzgebaren schließlich bei Hof in Ungnade stürzte. Um die Neuburg freilich machte auch er sich verdient: Er erweiterte die schon unter den Vorgängern entstandene Gartenanlage bis hinab zu den Ufern des Inns wenn man will: die "hängenden Gärten" von Neuburg.

Ein derart repräsentatives Schloss verdiente natürlich auch die Ehre hoher und höchster Besuche. So kam Kaiser Leopold 1. vor seiner Hochzeit in Passau hierher ins "Brautquartier" der zu seiner Gattin ausersehenen Pfalzgräfin Eleonora. Eine liebgewonnene, sich aus verwandtschaftlichen Umständen herleitende Vermutung konnte Dr. Hartleb freilich nicht bestätigen: Für eine zeitweilige Anwesenheit der späteren heiligen Elisabeth von Thüringen gibt es keinen urkundlichen Beleg.

Nach einigen Zwischenspielen kam die Neuburg an das Hochstift Passau und mit ihm im Gefolge der Säkularisation 1803 an das Königreich Bayern. Das hatte aber keine lange Freude an ihm, denn im Jahre 1810 fiel das Schloss einer gewaltigen Feuerbrunst zum Opfer. Erst in den Jahren um 1910 betrieben heimatbewusste Kräfte mit Erfolg den Wiederaufbau und die Burg diente nach dessen Abschluss als renommiertes Künstlererholungsheim.

A propos Künstler: Den Höhepunkt des auf den Einleitungsvortrag folgenden Rundgangs durch die Burg bildeten die schon erwähnten "Steinsäle", die dem Italienfaible jenes Niklas von Salm ihre Entstehung verdanken. Mantuaner Werkleute, unterstützt von Straubinger Hafnern, zauberten durch Malerei und Terrakottakunst die Atmosphäre italienischer Gartenarchitektur auf die Höhe über dem Inn. Die Leitung der Arbeiten oblag keinem geringeren als einem Mann, der als einer der Hauptvertreter der sogenannten Donauschule in die Kunstgeschichte eingegangen ist, dem Passauer Hofmaler Wolf Huber, der in einem der Räume sogar sein einziges erhaltenes Wandfresko hinterlassen hat, eine Darstellung des Parisurteils. Aus einem dieser "Steinsäle", die nach Aussage des Passauer Kunstkenners Dr. Gottfried Schäffer "zu den glänzendsten FrührenaissanceSchöpfungen Deutschlands zahlen", fällt nun der Blick auch gleichsam auf die moderne Kunst. Er schweift hinaus ins Inntal und hinüber zum österreichischen Wernstein, wo im Schatten der Kirche Alfred Kubin begraben liegt, der in der ersten Jahrhunderthälfte zu den Künstlern gehörte, die wie auch Elfriede Mäckel oder Alwin Stützer auf der Neuburg aus und eingingen oder sich zeitweise hier aufhielten. Von Kubin wird berichtet, dass er bei gelegentlichen finanziellen Schwierigkeiten einfach einen "echten" Kubin entstehen ließ und ihn in Zahlung gab. In diesem Zusammenhang konnte Dr. Hartleb auch einen von mehreren glücklichen Zufällen berichten, die wertvolles Material zur Geschichte des Hauses ans Licht brachten: Der Förderkreis Neuburg erhielt vor etwa 10 Jahren die Nachricht, dass ein Künstlerbuch des Schlosses bei einem Antiquar zu kaufen sei. Man griff zu und hatte eine Fülle von wunderschönen Bildern in Händen, mit denen sich die Künstler darin verewigt hatten, darunter eben auch Kubin.

Natürlich suchte die Rhaetengruppe auch noch die Bergkapelle auf, deren Inneres seinen gotischen Charakter bewahrt hat, die aber auch eine Reihe bemerkenswerter künstlerischer Arbeiten aus anderen Epochen birgt. Und eigenartig: Auch hier bewährt sich wieder die Anziehungskraft einer alten Burg Heiratswillige kommen bis von München her, um in dieser Kapelle den Bund fürs Leben zu schließen.

Von dieser alten Kirche ging es nun nach Neukirchen, nämlich nach Neukirchen am Inn, wo beim renommierten Gasthof zum "Bräu" der vorbestellte Raum gerade noch ausreichte, um die ansehnliche Rhaetengruppe zu fassen. Ansehnlich aber war sie nicht zuletzt dadurch geworden, dass nicht nur Bundesbrüder aus entfernten Regionen des Gaues zu uns gekommen waren, wie Bb. Otto Prenitzer mit seiner Frau aus Landau a. d. Isar sowie Bb. Dr. Helmut Liebl mit seiner Frau und Bb. Rudolf Mandl aus dem Bayerischen Wald, sondern zu unseren besonderen Freude auch wieder Rhaeten aus anderen Gauen, nämlich Obmann des Gaues Mühldorf, Bb. Erich Horndasch mit seiner Frau, und sein Gaumitglied Bb. Dr. Eduard Buckl aus Seeon mit Frau und Sohn; Frau Agnes Pauer, die Bbb. Dr. Heinrich und Dr. Johann Gruber sowie Bb. Martin Spitzer mit Frau aus Regensburg; den "Weitpreis" hätten aber wohl Bb. Romuald Gerhard und seine Frau aus Ingolstadt verdient.

Der Obmann des Gaus Passau freut sich auf den nächsten Gautag!

Bb. Franz Salzinger