Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 555-S. 11-12

Passauer und Regensburger Rhaeten besuchen das Gelände des ehemaligen Franziskanerklosters in Straubing

Am Nachmittag des 17. September 2011, einem Samstag, traf sich die „Rhaetenfamilie" - 55 Teilnehmer an der Zahl - der Gaue Passau und Regensburg am Eingang der „Schutzengelkirche" in der Schulgasse in Straubing. Die Gauobmänner Konrad Glas und Eduard Raps hatten zu einem gemeinsamen Gautag eingeladen, zu dem sie auch Gäste aus den Gauen München mit dem stellvertretenden Philistersenior Manfred Stegmüller und dem Gauobmann Hermann Aulinger mit seinem Stellvertreter Franz Kapsner und dem Gau Mühldorf mit seinem Gauobmann Eduard Buckl begrüßen durften.

Bundesbruder Günter Albrecht hatte ein sowohl hochinteressantes als auch hochaktuelles Programm ausgearbeitet. Als Leiter des Staatlichen Hochbauamtes Passau war er auf dem Gelände des ehemaligen, säkularisierten Franziskanerklosters nicht nur für die Restaurierung der „Schutzengelkirche", sondern auch für die Neubauten des „Kompetenzzentrums für nachwachsende Rohstoffe" verantwortlich gewesen. Aus dieser Zeit rührten auch seine hervorragenden Kontakte zu den Führungsmannschaften beider Objekte.

Schon seit dem Ende des 17. Jahrhunderts hatten sich die Franziskaner von München um den Bau eines „Clösterleins" bemüht: Zwar waren die Bettelorden der Karmeliten und Kapuziner bereits in Straubing ansässig, versorgten aber nur die innerhalb der Stadtmauern lebenden Altstadtbewohner - die anderen waren „im Sterbestündlein von gewöhnlicher und geistlicher Seelenhilfe ausgeschlossen". Nach „viel Sitzen und Schwitzen" genehmigte der Kurfürst den Franziskanern, ein Hospiz zu errichten, und der Stadtmagistrat räumte ihnen einen „ansehnlichen Orth und bequemen Platz" inmitten der Altstadt ein. Die Franziskaner errichteten zuerst die kleine Loretokapelle (heute profaniert), und schon während des Baus des Klosters und seiner Kirche kümmerten sie sich - wie schon in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, so auch jetzt - in den Pestzeiten während des Spanischen (1704/1714) und des Österreichischen Erbfolgekrieges (1741/1742) unter Einsatz ihres eigenen Lebens um die Kranken. Seit 1722 konnten die Ordenskleriker auch einem „Studium Philosophicum" auf dem Klostergelände nachgehen. 1802 wurde der Konvent aufgehoben, die restlichen Mönche wurden nach Ingolstadt verwiesen. 1844 übernahmen die Barmherzigen Brüder das ehemalige Klostergebäude; die Schutzengelkirche, seit der Säkularisation im Staatseigentum, nutzten sie als Ordenskirche und Gruft für die verstorbenen Mitbrüder. 1974 zogen sie sich aus der Krankenpflege zurück.

Die Klosterkirche, die 1707 den Hl. Schutzengeln geweiht worden war, war in den 50iger Jahren des letzten Jahrhunderts in einem derartig schlechten Zustand, dass sie profaniert worden wäre, wenn es nicht Herrn Lutz Burgmeier gegeben hätte: Ein geborener Straubinger wie er war, gründete er als Privatinitiative die „Schutzengelhilfe" und sammelte Privatgelder, so dass das Kultusministerium 1980 nicht anders konnte, als den Auftrag zur Renovierung der Kirche zu erteilen.

Nicht nur dieser Herr Burgmeier stieß zu Ehren von Günter Albrecht zur Rhaetenschar, sondern auch der damalige örtliche Bauleiter, Herr Heider, um uns von der Restaurierungsphase zu erzählen. Allein das „Juwel der Altstadt", der in seiner Art in Süddeutschland einmalige Wandeltabernakel, ist einen Besuch der Stadt Straubing wert. Er stammt wohl aus der Hand des Klosterschreiners Frater Simon Stadler aus Reichenhall (1679-1759), und hat verschiedene „Programme" während des Kirchenjahres: Eines für normale Werktage, eines für die Fastenzeit, die Passionszeit, für Sonntage, Ordensfeste und die Hochfeste. Dieser Tabernakel hat wohl - zusammen mit den Spendengeldern des Herrn Burgmeier - den Ausschlag dafür gegeben, die Kirche nicht zu profanieren, sondern vor dem Verfall zu bewahren, um ihn an seinem Ursprungsort belassen zu können.

Seine Begeisterung für „seine" Schutzengelkirche konnte auch Herr Lander, Straubinger Gästeführer, allen anwesenden Rhaeten vermitteln. Die barocke Kirche des Bettelordens hatte keinen Stuck, keine Malerei und eine einfache Fassade; aber wegen des damaligen Priesterüberschusses brauchte sie viele Seitenaltäre, damit jeder Pater seiner täglichen Pflicht zum Lesen der Hl. Messe nachkommen konnte. Da kam die Öffnung der Katakomben in Rom gerade recht: Manch gut erhaltenem Skelett wurde in einem der Altäre eine neue Bleibe gegeben, und jedes erinnerte die Gläubigen an ihre eigene Vergänglichkeit.

Ein paar Schritte weiter erwartete uns der Leiter des „Technologie- und Förderzentrums" im „Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe", Herr Dr. Bernhard Widmann, auch er extra für uns aus Freundschaft zu Günter Albrecht gekommen. Er führte uns ein in die Chancen der Energieverwertung nachwachsender Rohstoffe, einen Problembereich, der durch den geplanten Ausstieg aus der Atomenergie eine ungeahnte Brisanz erhalten hat. Unser Landschaftsbild hat sich schon ziemlich verändert durch den verstärkten Anbau energetisch verwertbarer Pflanzen, und es wird sich noch erheblich weiter verändern. Dass dies in einer Form geschieht, die nicht allzu belastend ist, sondern von allen Kreisen der Bevölkerung akzeptiert werden kann, dafür suchen Herr Dr. Widmann und seine Mitarbeiter nach Lösungen. Es entbrannte eine eingehende Diskussion über die Frage, inwieweit der Anbau von energetisch nutzbaren Pflanzen in Konkurrenz treten dürfe zum Anbau von Lebensmitteln. Besonders interessante Beiträge kamen dabei von Bundesbruder Hermann Stadlberger, der als Chef der E.ON Wasserwerke ein ausgewiesener Experte für unsere Energieversorgung ist. Anschließend führten uns Herr Dr. Widmann und Günter Albrecht noch durch das gesamte ehemalige Klostergelände und zeigten uns die hochmodernen Bauten für Verwaltung und Technik und das Laborgebäude des Wissenschaftszentrums.

In gemütlicher Runde klang der Gautag aus in der Traditionsgaststätte „Beim Seethaler" am historischen Stadtplatz neben dem Stadtturm von Straubing.

Bb. Franz Salzinger