Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 493/494-S. 17
Von Windberg zum Bogenberg
Gautag der Passauer Rhaeten am 30. Juni 2001
Wenn man in der Chronik der Passauer Gautage ein wenig zurückblättert, so entdeckt man eine Art Pendelbewegung: Das eine Treffen hält sich mehr im Zentrum des Gaus, das nächste tendiert mehr zur Peripherie. Diesmal waren wir wieder einmal “exzentrisch": Wir besuchten die Prämonstratenserabtei Windberg im Vorwald nahe Bogen und Straubing.
Gut möglich, dass der Name weiter entfernt wohnenden Bundesbrüdern nichts sagt. Dies würde weder der Verfasser des gedruckten Kirchen- und Klosterführers P. Norbert Backmund, noch P. Andreas übel nehmen, der unsere Gruppe in ebenso gewinnender wie informativer Weise durch die Abtei führte. Beide schlagen nämlich einen Grundton der Bescheidenheit an: Windberg war nie ein reiches Kloster; es gab zwar Vermutungen, dass an dieser Stelle die ursprüngliche Burg der Grafen von Bogen stand, doch das scheint sich nicht bestätigt zu haben; Windberg war nie ein Reichskloster. Es wurde von den Wirren der Reformation geschüttelt und litt schwer unter verschiedenen Kriegsläuften. Hierzu nur ein Zitat aus P. Backmunds Schrift: “Von da an" - nach schwersten Schäden im Landshuter Erbfolgekrieg (1504) - “gehörte es zu den ärmeren Klöstern, es war in der Barockzeit nicht imstande, wie die anderen Abteien großartige Neubauten durchzuführen."
Aber hier fällt schon ein kräftiger Lichtstrahl ins graue Bild: Diese erzwungene Beschränkung hat uns den mittelalterlich-romanischen Baukörper der Klosterkirche zu 80% erhalten. Dank einer überaus geschmackssicheren Restauration bietet er sich dem Auge des Besuchers wieder aufs Schönste dar.
Aber auch der Innenraum braucht sich wahrlich nicht zu verstecken: Zielsichere, stilgerechte architektonische Veränderungen machten ihn im 18. Jahrhundert zum geeigneten Gefäß für eine hochwertige Rokokoausstattung. Erwähnt seien nur der Hochaltar von Fr. Fortunat Simon aus Wertingen (P. Backmund: “Eine Art Universalgenie. Er war Architekt, Kunstschreiner, Holzbildhauer, Maler, Klempner, Zimmermann - alles in einer Person") und die Seitenaltäre des Straubinger Stukkateurs Mathias Obermayer (hat P. Backmund für den Hochaltar “nur" das Prädikat “eine beachtenswerte Schöpfung des Frührokoko", so schlägt er für die Obermayerschen Seitenaltäre ganz andere Töne an: Es “sind berühmte Schöpfungen des reifsten Rokoko von einzigartiger Originalität").
Besonders reizvoll ist der Altar der hl. Katharina - ein Ordnungsfanatiker sollte ihn aber nicht ansehen, denn Katharina “ist Patronin der Philosophie, deshalb umrahmen Bücher, Tintenfässer und Schubladen ihren Altar" (P. Backmund). Die Bücher scheinen aber teilweise nahe daran, aus dem Regal zu fallen... Reizvoll - oder auch nicht - mag man weiterhin die Geschichte empfinden, die sich mit dem sog. Sabinusaltar verbindet. Er ist dem Kirchenpatron geweiht - aber wie kommt Sabinus nach Windberg? Nun, ein Graf Albert III. von Bogen hatte Anlass, seinen Ruf in der Heimat zu verbessern. Kurzerhand überfiel er deshalb während eines Italienaufenthalts die Stadt Spoleto, raubte die Reliquien des Heiligen und ließ sie nach Windberg bringen.
Ohne Zweifel reizvoll ist aber die Zugabe, die P. Andreas im Rahmen der Kirchenführung zu bieten hatte: die Sakristei. Kann sie sich auch nicht mit der herrschaftlich-großartigen Sakristei der Abtei Niederaltaich messen, so ist sie mit ihren wunderbaren Intarsienschränken von Fr. Fortunat doch “eine der schönsten in Bayern" (P. Backmund). Eine exquisite Episode zeigt hier eines der Deckenbilder: Zwei Teufel bemühen sich gerade, eine Seele zu verführen. Sie bedienen sich dazu eines Weinglases und - einer Kaffeekanne (war doch dieses Türkengetränk für Christen höchst dubios, bis angeblich ein Papst entschied, dass man eine solche Köstlichkeit nicht den Ungläubigen allein überlassen dürfe...). Bei den vorher aufgezählten Leiden, die das Kloster Windberg in der Vergangenheit trafen, wurde das schlimmste noch gar nicht erwähnt: Wie zahlreiche andere fiel es der Säkularisation zum Opfer. Wie kommt es nun, dass uns ein P. Andreas führen konnte?
Nun, ein Windberger Pfarrer bemühte sich seit seinem Amtsantritt im Jahre 1908 mit großem Engagement um die Wiederherstellung des Klosters und hatte im Jahre 1923 endlich Erfolg. Die Bauten wurden von der niederländischen Prämonstratenserabtei Berne erworben. NS-Zeit und 2. Weltkrieg bedeuteten zwar eine erneute eminente Gefährdung, doch da kam 1957 ein weiterer Zuwachs aus dem holländischen Kloster, und heute verfügt Windberg wieder über fast 30 Mönche - angesichts heutiger Verhältnisse eine beachtliche Zahl. Also noch eine Lichtstrahl! - Aber P. Andreas konnte mit weiterem aufwarten: Windberg hat seit den 70er Jahren ein Jugendhaus aufgebaut, das sich in der Folge zu einer Jugendbildungsstätte von überregionaler Bedeutung entwickelte und sich nun mit Recht in einem seiner Prospekte als “Strahlungszentrum" bezeichnen kann. 1989 bekam es nun durch den deutschlandweit führenden Architekten Thomas Herzog noch einen neuen Übernachtungstrakt, der nach den Gesichtspunkten modernster Energietechnik erstellt ist. Es würde zu weit führen, hier in die technischen Einzelheiten zu gehen, aber die Teilnehmer des Gautags werden mir darin zustimmen, dass neben der alten, so ansprechend restaurierten Klosterkirche dieser moderne Bau ein zweiter hochrangiger Anziehungspunkt Windbergs ist.
Also - und man bräuchte es nach dem Gesagten gar nicht mehr eigens zu betonen - Kloster Windberg, von der Geschichte nicht verwöhnt, hat längst wieder eine ihm gemäße Rolle gefunden, eine Rolle, die ganz der Tradition des europäischem Mönchtums entspricht. Es lässt sich das geistliche Wohl der Menschen in seinem Umkreis angelegen sein, es bemüht sich aber auch nach Kräften, kulturell - und hier speziell auf dem Bildungssektor - segensreich zu wirken. Und dieses Wirken ist selbstlos: P. Andreas hat uns auch in Gebäude geführt, die seit der Säkularisation nicht mehr zum Kloster gehören, deren aufwändige, aber höchst zweckgerechte Restaurierung jedoch auf Initiative und unter tätiger Mitwirkung der Abtei erfolgt ist. Leider hatte P. Andreas nach dieser so erfreulichen Führung wegen seiner Verpflichtungen für den folgenden Sonntag keine Zeit mehr, uns auf die Höhe des Bogenbergs zu folgen, wo wir uns anschließend im Gasthaus “Zur schönen Aussicht" zu einem geselligen Imbiss trafen. Aber wer genau waren “wir"?
Natürlich bildete der Gau Passau den Grundstock, der freilich wieder weit überwiegend aus bejahrteren Bundesbrüdern bestand (allerdings stellte er mit dem Töchterchen Carolin von Bb. Dr. Rainer König auch die jüngste Teilnehmerin), aber auch der Gau Donau/Naab war gut vertreten: Es gaben uns die Ehre der Gauobmann Bb. Otmar Regler mit Gattin sowie die Bb. Dr. Fritz Hegerl und Bb. Martin Spitzer mit ihren Gattinnen; auch Bb. Gustl Hurler war gekommen. - Bb. Dr. Helmut Liebl vertrat in gewohnter Treue den Gau München. - Zwei Bundesbrüder waren aus weiter Ferne gekommen: Bb. Dr. Eduard Raps mit seiner Gattin und Bb. Helmut Hilz. Dieser - selbst Spross einer alten Glasmacherfamilie - hatte nicht nur Exemplare seines diesen Bereich behandelnden Buchs “Spiegelungen" mitgebracht, sondern wusste auch eine Neuigkeit zu berichten, die durchaus etwas mit Windberg zu tun hat. Mit diesem Kloster soll ja auch der sagenhafte Prophet des Bayerischen und Böhmerwaldes, der “Mühlhiasl", in Beziehung gestanden haben. Bb. Hilz hat nun ein Dokument entdeckt, das wohl die älteste Fassung der auf diesen zurückgehenden Voraussagen darstellt. Vielleicht erfahren wir darüber noch Näheres, z. B. beim zweiten Gautag dieses Jahres am 6. Oktober, an dem wir die Bischöfliche Residenz in Passau besichtigen werden und hoffentlich wieder recht viele Bundesbrüder mit Angehörigen begrüßen dürfen.
Bb. Franz Salzinger