Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 508/509-S. 21
Besuch in der Zuckerfabrik
Gautag der Passauer Rhaeten am 18. Oktober 2003 in Plattling
Zweimal hatten die Passauer Rhaeten in diesem Jahr Anlass, bei einem Gautag den Helm aufzusetzen: im Mai bei der Besichtigung des Bergwerks Kropfmühl, im Oktober beim Besuch in der Zuckerfabrik Plattling.
Beide Besichtigungen fanden großes Interesse, bei der zweiten hatten wir allerdings noch einen besonderen Vorzug: Wir genossen die kundige Führung unseres Bb. Roman Segl, der in diesem Werk als Ingenieur tätig ist. Das eher schmale Passauer Häufchen wurde übrigens erfreulicherweise erweitert durch liebe Gäste aus dem Raum Regensburg, nämlich Bb. Gauobmann Otmar Regler, Bb. Ernst Härtl mit Gattin und Bb. Martin Spitzer; außerdem konnten wir die Gattin von Bb. Dr. Rupert Dirscherl begrüßen. Aus noch weit größerer Entfernung hatte sich Bb. Ludwig Felber mit Gattin eingefunden.
Nach einer kurzen Selbstvorstellung gab Bb. Segl einen Überblick über den Personalstand des Werks und zeigte dann einen Film, der die Besichtigung der Fabrik vorbereitete.
Abgesehen von den technischen Grundvorgängen erfuhren wir, dass es sich bei dem Werk um eine der größten Zuckerfabriken Deutschlands handelt. Zusammen mit über 60 weiteren Fabriken von Spanien bis Moldawien bildet sie den industriellen Komplex der Südzucker AG, die ihrerseits der größte Zuckererzeuger in Europa ist.
Angesichts dieser gewaltigen Dimension war es erfreulich, schon im Film Töne der Bescheidenheit zu hören: So wurden Tatsache und Notwendigkeit einer engen Partnerschaft mit der zuliefernden Landwirtschaft herausgestellt und ökologische Verpflichtung wurde nicht nur anerkannt, sondern es wurde auch anhand von Einzelfakten aufgewiesen, dass man ihr nachkommt. Eine weitere sehr grundsätzliche Äußerung dieser Art erinnerte den Schreiber dieser Zeilen an seine Schulzeit: Damals hatte ein Lehrer gegen die Bezeichnung „Hefe f a b r i k" heftig gewettert, weil doch die Hefe nicht fabriziert werde, sondern in einem natürlichen Vorgang entstehe. Dementsprechend hieß es hier: „Der Zucker wird nicht in der Fabrik, sondern schon in der Rübe hergestellt."
Bei einer Bergwerksbesichtigung, wie wir sie im Mai erlebt hatten, kann man als Besucher naturgemäß nicht bis zum Ort der eigentlichen Arbeit vordringen; anders bei einem Fabrikbesuch, der doch eine ziemlich unmittelbare Begegnung mit den ablaufenden Arbeits- und technischen Vorgängen erlaubt (Eine negative Folge freilich und ein Umstand, der nach deren eigener Aussage Bundesbrüder von der Teilnahme abgehalten hat: Kinder unter 16 Jahren sind nicht zugelassen).
Wir hatten natürlich die Zeit der sogenannten „Kampagne" gewählt, die - orientiert am Erntevorgang - von Ende September bis Ende Dezember dauert, während der die Fabrik ohne Unterbre-chung im 24-Stunden-Betrieb arbeitet und pro Tag l 700 Tonnen Zucker herstellt.
Der auf die Filmvorführung folgende Rundgang machte uns zunächst einmal die vorher kaum ahnbare Weitläufigkeit der Anlage bewusst, im Einzelnen demonstrierte er uns anhand der Besichtigung der verschiedenen Teilanlagen die Phasen der Zuckergewinnung:
Selbstverständlich müssen die angelieferten Zuckerrüben zunächst auf ihre Beschaffenheit (Zuckergehalt und weitere wichtige Inhaltsstoffe) untersucht werden. Dann geht es an die Saftgewinnung, die mit der Zerkleinerung der Rüben beginnt und mit der Entstehung des Rohsafts endet. Dieser Saft muss gereinigt und weiter aufbereitet werden, was einen klaren Dünnsaft mit ca. 16% Zuckergehalt ergibt. Dieser Zuckergehalt wird durch Eindampfung und dadurch verursachte Eindickung auf ca. 67% erhöht. Der entstandene Dicksaft wird dann gekocht, bis sich Kristalle bilden, die hierauf durch Schleudern vom Sirup befreit werden. Weitere Vorgänge führen zur Raffinade, einem Zucker von höchster Reinheit. Dass der Gesamtvorgang aber nicht in einem Einzelprodukt endet, das zeigte den Bundesbrüdern am Schluss des Rundgangs der Blick auf das gewaltige Lager von fertigen und verpackten Zuckererzeugnissen: Zu sehen waren - für Backzwecke bestimmt - verschiedene Raffinaden, Feiner und Feinster Zucker, Puderzucker, Hagelzucker und Brauner Zucker, daneben aber natürlich auch in Form gepresster Zucker - für Würfelzucker, Glückswürfel und Zuckerhüte - sowie verschiedene Kandis- und Gelierzuckersorten.
Die anfallenden Nebenprodukte - so erfuhren wir - werden anderen Verwendungen zugeführt: Sie können als Viehfutter oder Dünger genutzt oder auch in der Hefeindustrie verwertet werden.
Die Qualität einer Führung erweist sich gewiss nicht zuletzt darin, dass sie die Geführten zum Fragen animiert. An Fragen fehlte es dann auch hier nicht, und sie wurden von Bb. Segl zugleich kompetent und eingängig beantwortet. Er scheute sich dabei auch keineswegs, eine problematische politische Implikation anzusprechen, die Tatsache nämlich, dass bei uns der Zuckerpreis geschützt ist, weil unsere Produktion sich sonst nicht gegen die billigere Weltmarktkonkurrenz behaupten könnte. Auch hier also ist das Verhältnis der führenden Industrieländer zur Dritten Welt tangiert.
So musste man sich notgedrungen am Ende dieses Werksbesuchs auch trüben Gedanken stellen. Diese traten aber selbstverständlich in den Hintergrund, als uns Bb. Segl im Namen der Zuckerfabrik abschließend zu einem gemütlichen Imbiss in einen Konferenzraum der Werksleitung einlud.
Bb. Franz Salzinger