Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 529/530-S. 17
Besuch in der Welt der Kelten
Gautag in Gabreta/Ringelai bei Freyung im Bayerischen Wald am 19. Mai 2007
Ringelai - der Ortsname klingt wie aus dem Märchenbuch, hat aber natürlich durchaus einen prosaischen Ursprung: Die älteste belegte Form - Ring laib -könnte besagen, dass hier die Bleibe eines gewissen Ringilo war. Zum Klang des Namens passt eine anheimelnde Assoziation, die sich beim Kundigen einstellt: Ringelai rühmt sich, die „einzige Christkindlwallfahrt Deutschlands" zu haben. Zum Hintergrund ganz kurz: Ein irischer Bischof namens Walter Lynch flüchtete 1649 während einer Katholikenverfolgung aus seiner Heimat und gelangte über Wien in die Obhut eines ungarischen bischöflichen Mitbruders, der ihm in Györ/Raab Asyl gewährte. Der Ire hatte ein ihm liebes Familienerbstück aus seiner Heimat mitgenommen, eine Darstellung der in die Anbetung ihres Kindes versunkenen Gottesmutter. Nach seinem Tod kam das Bild in die Kathedrale der Stadt, wo es bald, unterstützt durch ein angebliches Tränenwunder, große Verehrung genoss. Ein Adeliger aus dem Raum Ringelai, dessen Geschlecht auch in Ungarn Besitzungen hatte, ließ sich eine Kopie anfertigen und schenkte sie dem neuentstandenen Kirchlein in Ringelai, wo sich ebenfalls eine Wallfahrt entwickelte. Dazu sei angemerkt, dass der in Passau bestehende Deutsch-ungarische Freundeskreis Passau-Veszprém alljährlich ungarische Gäste nach Ringelai führt.
Seit einigen Jahren nun verbindet sich mit dem Namen Ringelai auch der - weniger märchenhaft als vielmehr fremdartig klingende - Name Gabreta. Er bezeichnet bei dem antiken Geographen Klaudios Ptolemaios das bayerisch-böhmische Grenzgebirge. Im Zusammenhang mit Ringelai steht der Name Gabreta für ein ungewöhnliches Unternehmen, dessen bisher sichtbares Ergebnis der Zielpunkt des Passauer Gautags vom 19. Mai 2007 war. Das Freilichtmuseum - denn ein solches ist es - Gabreta verdankt seine Entstehung dem Bauern und Hobbyarchäologen Paul Freund aus dem benachbarten Dorf Lichtenau. Dieser hatte mit der Zeit einen Blick für ungewöhnliche Steingebilde auf seinen Äckern bekommen und eine Vielzahl von Gegenständen gefunden, die von Fachleuten der keltischen Zeit oder noch früheren Epochen zugeordnet wurden. Zeitgleich mit Freunds Funden hatten auch andere - nicht zuletzt tschechische - Forscher in ähnlichem Sinn gewirkt und einen Anschauungswandel herbeigeführt: Gingen die Historiker bislang davon aus, dass prähistorische Funde im Bayerischen Wald lediglich Hinterlassenschaften von Durchziehenden seien, so befreundete man sich aufgrund der seit etwa 1990 durchgeführten Geländebegehungen und der dabei gemachten großen Zahl von Funden mit dem Gedanken, dass es hier auch Dauersiedlungen gegeben hat. Vor diesem Hintergrund entstand nun das Keltendorf Gabreta bei Ringelai, mit einem halben Dutzend Häusern unterschiedlichen Typs, die sich zum Teil auf keltische, zum Teil auf noch ältere Vorbilder berufen. Man ist seriös und tut bei Führungen nicht so, als habe an Ort und Stelle eine keltische Siedlung bestanden, und macht auch bei der Charakterisierung der Gebäude selbst klar, was hier wissenschaftlich belegt ist und wo die Phantasie mithelfen musste, um zu einem abgerundeten Ganzen zu kommen.
Das Wetter meinte es sehr gut mit den acht Passauer Rhaeten und ihren Angehörigen, verstärkt durch Bundesbrüder aus den Nachbargauen (die Bbb. Ludwig Felber, Ernst Härtl und Helmut Liebl mit ihren Frauen sowie Bb. Helmut Hilz), als sie sich am frühen Nachmittag in Gabreta einfanden. Es schien freilich zunächst so, als gingen keltische Uhren etwas anders, denn der versprochene Führer, Herr Feund selbst, hatte den Termin vergessen, war dementsprechend zum vereinbarten Zeitpunkt nicht zur Stelle und musste erst fernmündlich von der Waldarbeit weggeholt werden. Er machte aber sein verspätetes Erscheinen mehr als gut: Wir erlebten in ihm eine prächtige Verbindung von dialektnaher Bodenständigkeit und wissenschaftlichem Sinn, von Begeisterung für die Sache und Behutsamkeit im Urteil. Die nötige Anschaulichkeit ergab sich aus der Begegnung mit den konkreten Objekten selbst; launige Bemerkungen, die auch die geliebte keltische Welt nicht verschonten, sowie Erzählungen von vorwiegend heiteren Erlebnissen, die der Alltag der Projektarbeit mit sich brachte und bringt, taten das Ihre, um die Besichtigung kurzweilig zu machen.
Wir erhielten interessante Einblicke in die religiösen Vorstellungen der Kelten und ihre Bestattungsbräuche, bekamen die Funktionsweise von Back- und Brennöfen erläutert und gewannen ein Bild vom Familienleben der Kelten. In einer Umzäunung hat man einige der schon bei den Kelten beliebten Kulturpflanzen versammelt: Einer von ihnen verpasste der Führer die Bezeichnung „Viagra der Kelten", eine andere brachte er in Verbindung mit dem sogenannten „Schmeckerblattl", das Frauen früherer Generationen in ihr Gebetbuch legten, um sich bei langatmigen Predigten durch kurzes Schnüffeln vor dem Einschlafen zu bewahren.
Im Sinn moderner Museumspädagogik und wünschenswerter Kinderfreundlichkeit hat man auch ein sog. Versuchshaus errichtet, in dem Kinder selbst mit Lehm arbeiten und z. B. die Technik des Verputzens ausprobieren können. Herr Freund erzählte in diesem Zusammenhang von einem blinden Jungen, den dieses Tun so gefangen nahm, dass er sich auch nach Stunden nicht zur Heimkehr bewegen lassen und nach seinen Worten „heute durchmachen" wollte. Leider blieb keine Zeit, auch die Kinder von Bundesbrüdern, die wieder in erfreulicher Anzahl zu diesem Gautag mitgekommen waren, hier auch ein wenig „werkeln" zu lassen, denn der Führer wollte uns ja als krönenden Abschluss noch zeigen, wie die Kelten Feuer machten. Bei aller vorauszusetzenden Routine brauchte er eine gute Weile, bis sich das gewünschte Ergebnis einstellte. Ob man's nun eingestand oder nicht -die heiße Frühsommersonne hatte wohl bei den meisten schon einen ansehnlichen Durst erzeugt und auch der Magen verlangte allmählich sein Recht. Da konnte der schöne Landgasthof Koller in Ringelai Abhilfe schaffen. Im geräumigen Wirtsgarten wurden flugs etliche Tische zu einer einzigen Tafel vereint und schon konnte man sich - unter der ausladenden Krone eines exotisch wirkenden Tulpenbaums - zu einer gemütlichen, Leib und Seele erfreuenden Abschlussrunde niederlassen.
Bb. Franz Salzinger