Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 505/506-S. 18
Im Reich des „Schwarzen Goldes“
Gautag der Passauer Rhaeten am 17. Mai 2003 in Kropfmühl bei Passau
Ein Bergwerk in Niederbayern - das ist für viele wohl eine etwas befremdliche Vorstellung. Ihren Realitätsgehalt konnte aber eine stattliche Rhaetengruppe am 17. Mai anlässlich des ersten diesjährigen Passauer Gautags erleben, der dem Graphitbergwerk Kropfmühl nordöstlich von Passau galt. Stattlich war die Gruppe freilich nicht zuletzt durch die erfreuliche Anwesenheit von Ehefrauen und Kindern einiger Bundesbrüder, sowie - und das sei besonders anerkannt - durch die Teilnahme von Rhaeten aus den Nachbargauen. Sie seien hier ausdrücklich genannt: der Obmann des Gaus Mühldorf, Bb. Erich Horndasch, mit seiner Frau; die Bb. Dr. Heinrich Gruber und Dr. Johann Gruber sowie Bb. Ernst Härtl mit seiner Frau aus Regensburg. In einem ehemaligen Maschinenhaus eröffnete der Leiter des Besucherbergwerks der Graphit Kropfmühl AG, Ren-Bauer, die Führung mit einem einleitenden Vortrag, der nicht nur durch seinen informativen Gehalt bemerkenswert war, sondern auch durch seine Darbietungsweise: Auflockernde Witze wurden mit der gleichen unterkühlten Sachlichkeit geboten wie wissenschaftliche und technische Tatsachen.
Mit berechtigtem Stolz verwies der Vortragende zunächst darauf, dass es sich bei Kropfmühl um das einzige Graphitbergwerk im gesamten EU-Raum handelt. Es schlössen sich Informationen über Wesen und Eigenschaften des Stoffes an. Dabei erinnerte sich der Schreiber dieser Zeilen daran, dass ihn schon in seiner Schulzeit die Mitteilung in großes Erstaunen versetzte, dass Graphit und Diamant gleichermaßen reiner Kohlenstoff sind und sich nur in der räumlichen Anordnung der Atome unterscheiden.
Es folgten Hinweise auf die attraktiven Eigenschaften des Stoffes: seine hohe Leitfähigkeit für Wärme und Elektrizität, seine enorme Temperaturbeständigkeit (- 3500 Grad) und seine ausgezeichnete Schmier- und Färbekraft.
Färbekraft und Temperaturbeständigkeit waren es wohl auch, die den Menschen schon vor vielen Jahrtausenden auffielen, so dass sie Körper, Gebrauchs- und Kultgegenstände damit bemalten und schließlich auch bemerkten, dass Gefäße mit Graphitanteil im Gegensatz zu den mit normalem Ton gefertigten ausgeprägte Feuerfestigkeit, aber auch Wasser-undurchlässigkeit zeigten. Mit Ende der keltischen Epoche (Ende des l. Jh. vor Chr.) gerieten Graphitabbau und -verwertung für ca. 1000 Jahre in Vergessenheit; erst 1180 wird der Graphitabbau im Passauer Raum zum ersten Mal erwähnt. Der Rohstoff wurde an die Donau verbracht, wo er vor allem in Obernzell zu Gefäßen, vor allem Schmelztiegeln, verarbeitet wurde, die im weiteren Verlauf bis nach Übersee verkauft wurden. Um 1900 kam es zu einem regelrechten Graphitboom, der einzelne Bauern - der Graphitabbau war zunächst in bäuerlicher Hand - unglaublich reich machte, so dass man von „Millionenbauern“ oder „Graphitbaronen" sprach. Ihnen galt - dies sei hier hinzugefügt - vor einigen Jahren die Ausstellung „Millionenbauern - bäuerlicher Graphitabbau im Unteren Bayerischen Wald", veranstaltet vom Markt Untergriesbach und dem Freilichtmuseum Finsterau. Zur Veranschaulichung berichtete Herr Bauer, dass einer dieser Neureichen die unterirdischen Rechte für 11 Hektar Land um 95000 Goldmark an die Vorgängergesellschaft der Graphit Kropfmühl AG verkaufte. Über die sozialpsychologischen Auswirkungen dieses plötzlichen Reichtums kursierten allerhand Geschichten, bei denen man allerdings, wie Karl-Heinz Gohla im Begleitheft zur erwähnten Ausstellung schreibt, Wahrheit und Klischee schwer unterscheiden kann. So habe z.B. einer dieser „Millionenbauern" seine finanzielle Potenz dadurch unterstrichen, dass er sich am Stammtisch die Zigarren mit 1000-Mark-Scheinen anzündete... Karl-Heinz Gohla betont freilich auch die Kehrseite der Medaille: Manche Bauern kamen um Haus und Hof, weil sie zuviel in die vergebliche Suche nach Graphit investierten. Natürlich deutete der Vortrag auch die Verwendung des Graphits in modernen Techniken an, ein Thema, das ein Videofilm, der anschließend gezeigt wurde, näher verdeutlichte. In einem aktuellen Artikel der Passauer Neuen Presse liest man dariiber in einer Äußerung des AG-Vorstands (diese AG und ihre Vorgänger haben längst die bäuerliche Graphitförderung abgelöst): „Wir werden (...) in den Bau einer neuen Anlage zur Herstellung von Hoch- und Höchstwertgraphiten investieren." Die Nachfrage nach solchen sei „stark steigend." Diese Produkte würden „von der Auto- und Informationsindustrie" „u. a. für moderne Batteriesysteme (...) etwa für Handys oder Laptops (...) benötigt". Das Unternehmen baut übrigens nicht nur in Kropfmühl, sondern auch in Zimbabwe, China und Sri Lanka Naturgraphit ab. Dem Film folgte - unter Führung eines Bergmanns - die „Fahrt" (im Zusammenhang mit Worten wie diesem wurden wir auf Besonderheiten der bergmännischen Fachsprache hingewiesen) in die Tiefe des Bergwerks, wobei natürlich auch die Bundesbrüder und ihre Angehörigen sich vorher zünftig einkleiden mussten. Vor allem für größer Gewachsene erwies sich dabei der Helm als unentbehrlich; ohne ihn wäre gewiss mancher Kopf nicht heil durch die teilweise etwas niedrigen Gänge gekommen. Als Besucher konnten wir bis zu einer Tiefe von 42 m absteigen, während die aktuelle Abbautiefe bei etwa 200 m liegt. Wir erfuhren, dass das Grundschema des von unten nach oben verlaufenden Fördervorgangs darin besteht, dass zunächst ein Schacht in die Tiefe getrieben wird und von diesem aus seitwärts „Sohlen" angelegt werden, die den Schichten (Flözen) des graphithaltigen Gesteins folgen. Anfänglich wurde der Graphit im Tagebau ergraben; als man tiefer gehen musste, ergänzten maschinelle Methoden der Förderung und des Transports die manuellen. Beim Vordringen in größere Tiefen warfen natürlich die Wasserableitung und die Belüftung („Bewitterung") immer größere Probleme auf. Bezüglich letzterer ist man zu einer erstaunlich natürlichen Methode gekommen, die sich bei Karl-Heinz Gohla folgendermaßen anhört: „Ist die Außentemperatur im Winter tiefer" als die Gesteinstemperatur in der Grube, „dringt kalte Luft an der am tiefsten gelegenen Öffnung" der Schächte „in die Grube ein, wird hier durch das Gestein erwärmt und damit leichter, und zieht, wie in einem Kamin, in einem höher gelegenen Schacht (...) wieder aus. Bei höheren Temperaturen, also im Sommer, ist das umgekehrt (...). Damit ergibt sich ein in der Richtung wechselnder natürlicher Sommer oder Winterluftstrom." Die Frage eines Bundesbruders am Schluss der Führung, wie es in Kropfmühl mit Bergwerksunfällen stehe, förderte eine interessante Information zutage: Es passiere sehr wenig, doch sei es vor zwei Jahrzehnten zu einem tödlichen Unfall gekommen. Dieser war eigentlich eine Modernisierungsfolge: Bis 1975 hatte man offene Karbidlampen verwendet und sie damals durch elektrische Lampen ersetzt. 1981 nun habe es an einer Stelle einen Stickstoffeinbruch gegeben. Ein Bergmann habe nichts ahnend diesen Bereich betreten und sei dort umgekommen. Hätte er noch eine Karbidlampe gehabt, wäre diese rechtzeitig erloschen und hätte ihn gewarnt. Seither sind zumindest die Steiger wieder mit Karbidlampen ausgerüstet. Mit dieser ernsten Note endete die Bergwerksführung, die von allen Besuchern als sehr informativ empfunden wurde.
Auch der zweite Teil des Gautags, das gesellige Beisammensein, nahm noch einen glücklichen Verlauf, obwohl sich einige Tage vorher ein ernstes Problem abgezeichnet hatte: Das ursprünglich ins Auge gefasste Lokal sah sich kurzfristig -wegen einer im Hause parallel stattfindenden Hochzeit - veranlasst, uns ein Zeitlimit zu setzen, das uns sehr eingeengt hätte. Gottlob ergab sich rechzeitig die Möglichkeit eines Wechsels: Bei schönem Wetter auf der luftigen Terrasse des Golf- und Landhotels Anetseder im nahen Raßbach bei Thyrnau sitzend hatte die Rhaetenrunde - bei höchst ansprechender Bewirtung - genügend Muße, sich in lockerem Gespräch freundschaftlich auszutauschen.
Bb. Franz Salzinger