Gau Passau
Dieser Artikel ist erschienen im Rhaeten-Herold Nr. 588-S. 15
Perlensuche im Inntal
Am 13. Mai führte ein Gautag die Passauer Rhaeten nach Pildenau und St. Anna bei Simbach am Inn
„Hier ist gut sein“, sagten sich unsere bäuerlichen bajuwarischen Vorfahren im 6. Jahrhundert und gründeten ihre ersten Siedlungen in den großen Flussebenen: um München, um Straubing, um Mühldorf. Aber auch kleinere Flächen verschmähten sie nicht, so das breite Inntal zwischen Simbach und Pocking. Hier Wie in allen diesen Gegenden drangen sich die „alten“ oder „echten“ -ing - Orte. Einer von ihnen ist Ering unterhalb von Simbach am Inn. Der Ort liegt aber nicht nur in einer Urlandschaft bayrischer Siedlungsgeschichte, es umweht ihn auch ein Hauch von „Bavaria Sacra“. Im Gemeindebereich von Ering liegt nämlich das Dorf Pildenau, das eine tausendjährige, freilich nicht durch schriftliche Quellen belegte Tradition zum Geburtsort eines bayerischen Papstes erklärt, der durch Kaiser Heinrich III. veranlasst Wurde, den Stuhl Petri zu besteigen: des Papstes Damasus H. Es war ein kurzes Pontifikat: Nach nur 23 Tagen ist Papst Damasus unter bis heute ungeklärten Umstanden verstorben. Sein Sarkophag in der römischen Basilika San Lorenzo fuori le Mura ist verschwunden. Nicht verschwunden ist aber der Glaube der Bewohner von Pildenau, dass dieser Papst einer der Ihren gewesen ist.
Es war aber nicht nur diese Tradition, die die Passauer Rhaeten veranlasst hat, das Kirchlein von Pildenau zum ersten Besichtigungsziel ihres Gautags zu machen; dass das kleine Gotteshaus auch als solches einen Besuch verdient, bewies ihnen ihr kundiger Führer, der gebürtige Eringer und Klassenkamerad von Gauobmann Prof. Dr. Konrad Glas, Prälat Max Pinzl. Er informierte sie über die Geschichte des Bauwerks, über die Kirchenpatrone (unter denen der Name Johannes zweimal vertreten ist: ursprünglicher Patron war Johannes der Täufer; ihm folgten die römischen Märtyrer Johannes und Paulus) und stellte ihnen die beachtlichen Kunstwerke vor, die das Kirchlein birgt, unter ihnen den prächtigen Renaissance-Altar und die interessanten einst überstrichenen und nun wieder freigelegten Fresken.
Nähert man sich, von Passau kommend, Pildenau, so verändert sich mit einem Mal das Bild der Landschaft: Begleitet einen zunächst auf der rechten Seite ein eher eintöniger Höhenzug, so lockert sich dieser nun malerisch auf, und es könnte sein, dass dieses Bild auch schon früher auf Menschen anziehend gewirkt hat. Dafür spricht die Gründungslegende eines weiteren Kirchleins, das unweit von Pildenau unterhalb jener Höhen liegt: St. Anna.
Nach Prälat Pinzl besagt sie, dass einst Kaufleute auf dem – natürlich noch nicht gebändigten - Inn in Gefahr waren unterzugehen und für den Fall ihrer Rettung gelobt hätten, eine Kirche zu bauen, und da hätten sie eben diese Stelle als geeignet für die Erfüllung ihres Gelübdes befunden. Das Patrozinium der Kirche passt zu dieser Legende, denn die heilige Mutter Anna wurde als Patronin für einen guten Tod verehrt, und ein solcher wird ja - jedenfalls nach dem Glauben früherer Zeiten - durch ein jähes Hinscheiden in Frage gestellt.
Mit dem Tod hat das St. Anna-Kirchlein aber auch in einem anderen Zusammenhang zu tun: Die adeligen Bewohner des benachbarten Schlosses Ering, die Grafen Sedlnitzky und Esterhäzy von Galantha, finden ihre Ruhe in den Grüften an der Kirche.
Aber noch mehr als im Fall Pildenau sind es nicht nur Legenden oder geschichtliche Umstände, die einen Besuch rechtfertigen, sondern zunächst das Bauwerk selbst: Prof. Herbert Schindler hat es als „die Rose an der Straße“ und als eine der schönsten spätgotischen Kirchen im Inntal bezeichnet. In ihrem Inneren birgt sie neben anderen namhaften Kunstwerken, z.B. einer sehr hochrangigen Madonna, etwas beinahe Singuläres, nämlich einen Altar mit Perlmuttfassung, wie sie nach Max Pinzl nur dreimal in Europa vorkommt. Leider war ein großer Teil dieser Herrlichkeiten unter Schutzhüllen den Blicken der Besucher entzogen, weil die Kirche sich wegen statischer Probleme in einer Art Dauerrestauration befindet.
Aber die Kirche hat schon andere Zeiten erlebt: Die früher mit der Seelsorge in St. Anna betrauten Mönche von Kloster Asbach ließen sie auf der Grundlage ihres Patroziniums zu einer beliebten Wallfahrtsstätte werden, was sich im August des Jahres 1838 besonders eindrucksvoll manifestiert hat: Prälat Pinzl verlas den Brief des damaligen Ortspfarrers, in dem dieser das damals abgelaufene Wallfahrtsgeschehen schildert. Es war offenbar ein geradezu explosiver Ausbruch der in den Jahren der Säkularisation unterdrückten Volksreligiosität - und er hatte eine überzeitliche Wirkung: Ein großer Heiliger unserer Heimat, Bruder Konrad von Parzham, soll sich während dieser Tage über seine Berufung zum Ordensstand klar geworden sein.
Da sich aber die „Bavaria Sacra“ durchaus auch mit irdischen Freuden verträgt und nun endlich auch den leiblichen Bedürfnissen Rechnung getragen werden musste, begab sich die Rhaetenrunde - an der Spitze der Philistersenior höchstselbst - zum „Eckinger Wirt“ in Ering, wo nicht nur das gastronomische Angebot den Erwartungen entsprach, sondern auch der] gemütliche holzgetäfelte Gastraum sehr zu einer guten Stimmung beitrug. Das war natürlich auch der ideale Rahmen für die ebenso gehaltvollen wie launigen Begrüßungsworte. (GO/Philistersenior)
Bb. Franz Salzinger